"𝙄𝙩 𝙝𝙪𝙧𝙩 𝙩𝙤 𝙢𝙖𝙠𝙚 𝙗𝙤𝙪𝙣𝙙𝙖𝙧𝙞𝙚𝙨 [...] 𝙖𝙗𝙤𝙪𝙩 𝙩𝙝𝙚 𝙛𝙖𝙘𝙩 𝙩𝙝𝙖𝙩 𝙄 𝙙𝙞𝙙𝙣’𝙩 𝙬𝙖𝙣𝙩 𝙩𝙤 𝙨𝙞𝙜𝙣 𝙢𝙮 𝙘𝙤𝙣𝙩𝙧𝙖𝙘𝙩 𝙞𝙣 𝙢𝙮 𝙢𝙖𝙠𝙚-𝙪𝙥 𝙩𝙧𝙖𝙞𝙡𝙚𝙧 𝙤𝙣 𝙩𝙝𝙚 𝙙𝙖𝙮 𝙄 𝙨𝙩𝙖𝙧𝙩𝙚𝙙 𝙖 𝙨𝙝𝙤𝙬.",
sagte US-Schauspielerin Sharon Stone in einer sehr bewegenden und inspirierenden Rede bei der The Hollywood Reporter "Raising Our Voices"-Gala, die sie im Mai 2023 hostete.
Doch nicht nur Hollywood steht vor diesem Problem:
Auch in Deutschland ist es so, dass ich als Schauspielagentin in 90% der Fälle darum kämpfen muss, dass meine Klient:innen ihren fertig verhandelten Schauspiel-Vertrag (oder auch nur einen ersten Entwurf) VOR Beginn der Dreharbeiten erhalten und somit vor ihrem ersten Proben- oder Drehtag wissen zu welchen Bedingungen sie ein Projekt zusagen – oder auch nicht. Nicht selten zieht sich die Verhandlung sogar bis nach Drehstart.
Und jedes Mal wieder frage ich mich, wie ich diesem Umstand noch mehr entgegenwirken kann?
Denn eine Übermittlung der wichtigsten Vertragspunkte an die Produktion, direkt nach Rollen-Zusage wird auch oft - trotz mehrfacher Nachfrage - erst Wochen später beantwortet. Und findet dann ohne erneute Erinnerung nahezu nie direkt Erwähnung im ersten Vertragsentwurf.
Wenn wir über Arbeitsschutz und Fairness in der Filmindustrie sprechen, müssen wir auch an diesen Stellschrauben drehen. Wie können wir diese Situation also ändern?
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales leitet das Thema „Arbeitsschutz“ wie folgt ein:
„Grundlage für ein funktionierendes Beschäftigungssystem ist die Schaffung und der Erhalt sicherer und menschengerechter Arbeitsbedingungen. Ein effizienter Arbeitsschutz und eine wirksame Unfallvermeidung sind hierfür besonders wichtig, vor allem auch im Hinblick auf die Herausforderungen einer durch digitalen Wandel immer schnelleren und anspruchsvolleren Arbeitswelt.“
Zur Einordnung: Schauspieler:innen werden für ein Projekt angestellt und arbeiten im Rahmen von Filmproduktionen in der Regel nicht freischaffend. Sind also ergo weisungsgebunden. Welche:r Angestellte:r in der „normalen“ Arbeitswelt würde einen Job ohne einen Arbeitsvertrag, der seine Pflichten aber AUCH Rechte regelt, antreten? Niemand.
Weiter besagt der Artikel, dass „Die Gefährdungsbeurteilung den Arbeitgeber ausdrücklich auch dazu verpflichtet, psychische Belastungsfaktoren im Arbeitsschutzhandeln entsprechend der jeweiligen Bedeutung für die Arbeitstätigkeit mit zu berücksichtigen.“
Mögliche „psychische Belastungsfaktoren“ für Schauspieler:innen am Set können bspw. unklare Bezahlungsmodalitäten durch oft nicht garantierte Drehtage und/oder Pauschal-Honorierungen, kein privater Aufenthalts- bzw. Umkleideraum, kein „closed set“ und fehlende Intimacy Koordinator:innen für intime und/oder Nacktszenen, das Ausklammern des Arbeitsweges bei der Berechnung der Arbeitszeit und viele mehr sein.
Da Arbeitsschutz und das Ausnutzen von Machtstrukturen meiner Meinung nach in der Filmbranche eng miteinander verbunden sind, ist es ganz im Sinne des gesetzlich definierten Arbeitsschutzgesetzes, an der Zeit, dass wir uns als Filmschaffende dieser Problematik bewusstwerden und nachhaltige Maßnahmen ergreifen.
„Am wirkungsvollsten kann die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleistet werden, wenn der Arbeits- und Gesundheitsschutz nachhaltig in die Strukturen und Abläufe eines Unternehmens eingebunden wird.“
Es sollte eine klarere Kommunikation und Transparenz bei Vertragsverhandlungen geben, damit Schauspieler:innen (aber auch alle anderen Mitwirkenden an einer Produktion) von Anfang an über ihre Rechte und Pflichten informiert sind.
Bestenfalls greift diese Transparenz aber auch schon in der Projektentwicklungs- und Castingphase: „Gatekeeping“ bezieht sich auf die Praxis, den Zugang zu bestimmten Bereichen oder Ressourcen zu kontrollieren und einzuschränken. In der Filmbranche manifestiert sich Gatekeeping in meiner Erfahrung bspw. in selektiven Casting-Prozessen, elitären Netzwerken und undurchsichtigen Entscheidungsstrukturen. Diese Mechanismen können den Zugang zu Projekten für talentierte Schauspieler:innen und Filmschaffende erheblich erschweren.
Oftmals werden Rollenangebote über persönliche Kontakte oder Beziehungen vergeben, anstatt eine faire und offene Vorauswahl durchzuführen. Dadurch werden Schauspieler:innen und Filmschaffende, die nicht über ein starkes Netzwerk verfügen, benachteiligt. Dies führt zu einer begrenzten Vielfalt an Stimmen und Perspektiven in den Filmproduktionen, da bestimmte Gruppen von Personen systematisch ausgeschlossen werden.
Es liegt also in der Verantwortung aller Beteiligten, von den Schauspieler:innen über die Agenturen bis hin zu den Produktionsfirmen, Veränderungen herbeizuführen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen und den Einsatz für eine gerechtere und sicherere Arbeitsumgebung können wir das Ausnutzen von Machtstrukturen in der Filmbranche bekämpfen und den Arbeitsschutz verbessern.
Quellen:
Über die Autorin
Unsere erste Gastautorin ist Zetha Asafu-Adjaye. Zetha hat umfangreiche Berufserfahrungen im Schauspielmanagement, Filmverleih, Casting- und Pressebereich sowohl in Berlin als auch in Rom gesammelt.
Durch ihre vielfältigen Erfahrungen erkannte sie, was Künstler:innen wirklich an ihrer Seite benötigen: eine empathische und organisierte Wegbegleiterin, die an das Potenzial ihrer Klient:innen glaubt, deren individuelle Möglichkeiten für ihr künstlerisches Schaffen erkennt und mutig und selbstbewusst in die Realität umsetzt. Zetha Asafu-Adjaye hat es sich zur Mission gemacht, Talent Management an den modernen Zeitgeist heranzuführen und neue Wege in der ganzheitlichen und wertegesteuerten Zusammenarbeit mit Künstler:innen zu erarbeiten.
Seit 2021 wird Zetha Asafu-Adjaye von Elias Asbai dabei unterstützt, ihre Vision umzusetzen. Gemeinsam arbeiten sie daran, neue Maßstäbe in der Betreuung von Künstler:innen zu setzen und die Arbeitsbedingungen in der Filmbranche zu verbessern.
Durch ihren LinkedIn Post zu dem kürzlich kursierenden Sharon Stone Zitat, sind wir auf Zetha und ihre Arbeit Aufmerksam geworden. Mit unserem Blog möchten wir ihr gerne eine zusätzliche Plattform für dieses wichtige Thema bieten.
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